Economy first! – Die Wirtschaft vor der Menschlichkeit
Man mag meinen, dass Entscheidungen in der Politik im Sinne des Allgemeinwohls und auf rechtlicher Grundlage getroffen werden, so wie es eine gerechte, demokratische Gesellschaft verlangt. Man hat immer noch den Glauben, dass die Wirtschaft ein mächtiges Instrument der Politik ist und nicht umgekehrt. Wir wiegen uns in der Zuversicht, alles wäre unter Kontrolle.
Aber ich frage mich: Kann man noch von einer funktionierenden Wirtschaft sprechen, wenn es so viel Leid gibt und noch mehr geben wird, wenn wir nichts ändern? Denn erst, wenn wieder Moral und Vernunft herrschen, wird die Wirtschaft wieder menschlich.
Die Wirtschaft hat ein Eigenleben entwickelt und ist damit unabhängig, auch von der Politik. Nur wir alle sind abhängig von ihr. Wir sind die, denen es an Moral und Vernunft fehlt, denn unser Verhalten und das unserer Politik ist es, welches es so weit hat kommen lassen; in der Angst um den eigenen Arbeitsplatz vergessen wir unsere Solidarität, auch gegenüber der Umwelt; in der Hoffnung auf wirtschaftlichen Erfolg begünstigen zahlreiche Länder durch ihren Anschluss an den größten Überwachungsstaat dessen wachsende Einflussnahme; weil das Tragen einer Waffe in den Vereinigten Staaten als Recht angesehen wird, sterben dort überproportional mehr Menschen durch Schusswaffen als in anderen Ländern; durch den Massenkonsum von Billigware unterstützen wir Ausbeutung, Diskriminierung und die Zerstörung unserer Umwelt.
Und das alles, weil es Profit bringt. Nur eben nicht den „kleinen Leuten“, sondern jenen, welche zusammen ohnehin schon mehr besitzen als die restlichen 90% der Bevölkerung. Und das, obwohl das Grundgesetz besagt, dass Vermögensungleichheit nur mit dem Allgemeinwohl begründet sein darf. Das Bizarrste daran ist, dass man somit den Nutzen für das Allgemeinwohl zwangsläufig im gestärkten Wirtschaftswachstum sieht. Nur ist es eben diese Wirtschaft, die die Vermögensungleichheiten verursacht und diese immer weiter ausdehnt. Eben jene Mechanismen, welche die Wirtschaft nur dadurch hat, dass man ihr die Oberhand gewährte und so die Macht über sie verlor, führten zu der Kontinuität dieser Ausdehnung.
Eine regressive Vermögenssteuer zum Beispiel könnte diesen Mechanismen vielleicht entgegenwirken, also ein Steuersatz, der mit dem Vermögen steigt. Doch es ist anscheinend nicht im Interesse der Politik, derartiges durchzusetzen. Es gibt auf Seiten der Politik jedoch keine Lösungsansätze, gegen diese rechtswidrige Sache anzukämpfen, und dies, weil die Politik von der Wirtschaft abhängig ist. Es ist ein Teufelskreis, aber man kann sich losreißen. Man will es nur nicht.
Aber warum auch? Warum sollten wir uns denn von der Wirtschaft losmachen, die uns Luxusgegenstände wie Smartphones ermöglicht, uns durch das Internet unterhält und so vom ganzen Leid ablenkt, wenn wir dafür nichts weiter als unsere Daten preisgeben müssen? Es ist doch unsere Wirtschaft, durch die es uns so gut geht?! Unsere Wirtschaft zuerst! Unsere Wirtschaft?