Nikolaus-Rituale aus aller Welt und was diese über die Gesellschaft offenbaren

Nikolaus-Rituale aus aller Welt und was diese über die Gesellschaft offenbaren

9. Dezember 2020 0 Von Emily Brieske

Jedes Jahr ist der Tag plötzlich wieder da: Der Nikolaus steht vor der Tür! Nun muss ein jeder noch schnell die Schuhe putzen, bevor die Geschenke darin versinken. Jeder hat wohlmöglich bereits einst die Geschichte des „Nikolaus von Myra“ gehört und diese Tradition selbst miterlebt, doch wie dieses Fest außerhalb der eigenen Gemeinde gefeiert wird, ist durchaus nicht überall prominent. Rituale beherrschen unsere Leben und ich werde hier einmal aufführen, wie unterschiedlich sie doch sein können.

 

Bei uns im Norden Deutschlands verläuft der 6. Dezember in den meisten Haushalten gleich. Ich selbst putzte meinegeräumigsten Schuhe eifrig am Abend zuvor und stellte sie voller Vorfreude vor die Tür. Und kaum wachte ich am Morgen des 6. Dezember auf, da öffnete ich flink die Tür und trug meinen nun randvoll befüllten Schuh voller Stolz in mein Zimmer herein; und voller Freude begutachtete ich all die Geschenke, die der liebe Nikolaus mir beschert hatte. Mit Gewissheit kann ich sagen, dass der Nikolaus so oder ähnlich in den meisten Familien stattfand oder auch immer noch standfindet. Allerdings teilen immer mehr Menschen die Meinung, dass Knecht Ruprecht – der Gehilfe vom Nikolaus – veraltet sei, da er die unartigen Kinder mit Rutenschlägen bestrafen würde. In unserer heutigen Gesellschaft sollte aber kein Kind oder Mensch im Allgemeinen Gewalt erfahren, also ist es unnütz und widersprüchlich den Kindern mit so etwas, wenn auch nur in einer Legende, zu drohen.

 

So ist das bei uns, doch es gibt noch ganz andere Traditionen, manche extremer als andere.

 

Beginnen wir mit den uns nahen Orten. In Bayern zum Beispiel gibt es ein gruseliges Ritual. Die Krampusse, die Gehilfen des barmherzigen Nikolaus, die man mit unserem Knecht Ruprecht vergleichen kann, spielen am Nikolaustag in Bayern, Österreich und der Oberpfalz eine große Rolle. Sie sind furchteinflößende Gestalten mit Hörnern und fiesen Fratzen. Ein Krampus kommt selten allein. Es gibt jährlich sogar organisierte Krampusläufe in besagten Regionen, wo diese, zu Hunderten durch die Straßen ziehen. Dies geschieht meist am 5. Dezember, dem Krampus-Tag.

 

Luxemburg hat auch äußerst interessante Nikolaus-Rituale. Dort bringt nicht der Nikolaus die Geschenke, sondern der sogenannte „Kleeschen ́ ́ mit seinem Helferlein „Houseker„, dem Esel. Aber das Besondere ist, dass die luxemburgischen Kinder ihre Schuhe bereits Ende November vor die Türe stellen und gespannt darauf warten, was sie am 6. Dezember in ihrem Schuh finden werden. Die lieben Kinder legen außerdem Heu für Houseker und Gebäck für den Kleeschen vor die Tür.

 

Und in Polen gleicht das Nikolausritual eher einer Prüfung, bei dem die Kinder dem Nikolaus verschiedene Fragen beantworten müssen und nur, wenn sie dieses „Examen„ bestanden haben, können sie ihre Geschenke in Empfang nehmen.

 

In der Schweiz wiederum heißt der Nikolaus „Samichlaus„ und der Dr. Watson zu dem Sherlock „ Samichlaus„ ist als Schmutzli bekannt. Schmutzli ist ein Esel, auf dem der gute Samichlaus durch die Schweiz reitet.

 

In Rumänien nennt man den Geschenkebringer, der übrigens auch auf den „Nikolaus von Myra“ zurückgeht, Mos Nicolae, der den gehorsamen Kindern kleine Nettigkeiten zusteckt und den Unartigen eine Apfelbaumrute gibt. Der Legende zufolge vergisst Mos Nicolae die frechen Kinder, wenn die Rute bis Weihnachten zu blühen beginnt. Außerdem soll man den rumänischen Nikolaus in der Silvesternacht sehen können, wenn sich der Himmel öffnet.

 

Der kroatische Nikolaus wird, ebenfalls wie der Nikolaus in Bayern und Österreich, von Krampussen begleitet. Doch die Krampusse begleiten den Sveti Nikola nicht immer, denn meist erscheint er solo.

 

Und im schönen Frankreich wird in Saint-Nicolas-de-Port in Lothringen ein großes Spektakel organisiert um des Nikolaus willen. Als erstes gibt es einen extravaganten Umzug, dann gehen die Gläubigen zur Allerweltsmesse und anschließend wird mit einer pompösen Fackelprozession der Auszug aus der Basilika beschmückt.

 

Basilika ähnelt entfernt dem zunächst betrachteten Land. Brasilien mit Papa Noel. Dieser fliegt mit einem Hubschrauber ins Maracana-Stadion und verkündet am 6. Dezember den Beginn der Weihnachtszeit. Anschließend wird eine bombastische Party mit spektakulären Showeinlagen gefeiert. Und zwar mit mehr als 200.000 Zuschauern im größten Fußballstadion der Welt.

 

Als letztes würde ich gerne das Land mit den wohl moralisch bedenklichsten Traditionen und Bräuchen vorstellen. In den Niederlanden bringt der Sinterklaas die Geschenke, und der Legende nach kommt er bereits im November mit seinem Schiff aus Spanien und bringt auch seinen Gehilfen, den Zwarten Piet, mit. Nach drei Wochen, in denen ́ ́Sint ́ ́ und sein Helferlein durch das Land ziehen, gibt es am 5. Dezember die große Bescherung, auch als Pakjesavond bekannt.

 

Ds wirklich inakzeptable und auch rassistische an dieser Tradition ist, dass der bzw. die Pieten als ganz schwarz mit falschen schäbigen Lockenköpfen, bunten Pumphosen, dazugehörigem Wams mit Spitzenkragen sowie einem Käppi mit großer Feder daherkommt. Schwarze werden so als dumme und lächerliche Knechte dargestellt. Zudem ist es ein Akt des Blackfacing, was bedeutet, dass weiße Schauspieler sich schwarz anmalen, um schwarze Menschen darzustellen. Es wird immer von der gemeinsamen Bekämpfung von Rassismus gepredigt, doch jeder, dersich nicht gegen den Rassismus in solch veralteten Traditionen wehrt ist unweigerlich selbst ein Rassist. Man sollte kleinen Kindern nicht beibringen, dass so ein Verhalten akzeptabel sei, denn sie sind die nächste Generation. Und wenn solche Rituale nicht angepasst werden, dann wird der rassistische Keim nicht in der Entwicklung getötet, sondern man bietet ihm sogar noch einen Ort sich weiterhin zu entfalten. Glücklicherweise gibt es viele Demonstranten und Aktivisten, die sich mit diesem Problem auseinander setzten und es bekämpfen.

 

Im Gesamthinblick auf die Zeit, in der wir uns befinden, kann man sagen, dass unsere Welt sich im Umbruch befindet und dass es nun immer öfter die Reibungen zwischen Traditionen und Neuerungen gibt.

 

Beitragsbild von Any Lane von Pexels