KZ-Gedenkstätte Neuengamme: Grausam, verstörend, tödlich
Unter unseren Füßen sind Fußabdrücke in Ton getreten, welche zeigen sollten, wie viele dort gestanden hatten, bevor sie nicht mehr stehen konnten. Es fühlt sich beinahe so an, als spürte man noch die Verzweiflung, als hörte man die Schreie.
Wir kamen an und standen an dem Wagon eines Deportationszuges. Seinesgleichen hatte einst so viele -unschuldige- Menschen über tage- und wochenlange Reisen ins Konzentrationslager Neuengamme gebracht.
Es wird kalt. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, als der Guide von den Grausamkeiten der Aufseher erzählt und wie die Häftlinge abmagerten, erkrankten, litten und elend starben.
ARBEIT UND ALLTAG
Vernichtung durch
- Hungern
- Krankheit
- Arbeit
Das waren die Ziele des KZ-Neuengamme.
Die Arbeit draußen in der Tongrube war so konzipiert, dass die Überlebensdauer nicht länger als 100 Tage war. Die einzige Chance zu überleben war in das Klinkerwerk zur Ziegelproduktion aufzusteigen, um an den Maschinen eingesetzt zu werden. Dann konnte man mit Glück einige Jahre überleben. Denn für die Arbeit an den Maschinen musste man hochqualifiziert sein und diese Arbeitsplätze bzw. Arbeitskommandos wurden nur selten ausgetauscht.
Eine weitere Möglichkeit war es, in die Walterwerke als Schlosser zu kommen. Der Einsatzbereich, welcher am Anfang auferzwungen wurde, konnte also über Leben und Tod im KZ entscheiden.
Allerdings war es so, dass Rassismus und die Ideologie der Nazis eine große Rolle spielten. Je weiter man aus dem Osten stammte oder wenn man Jude war, desto geringer waren die Chancen aufsteigen zu können, bzw. standen sie gleich null. Es starben also mehr Russen als Deutsche, da der Beruf von Menschen aus dem Osten und Juden nicht einmal anerkannt wurde, auch wenn sie wertvolle Qualifikationen nachweisen konnten.
DER ANDERE FEIND
Doch die Arbeit war nicht der einzige Feind. Die Krankheiten wie Typhus, Durchfall und Entzündungen verbreiteten sich rasant im gesamten KZ, was bei den unvorstellbar schlechten Hygienebedingungen kein Wunder war . Die Häftlinge wurden ausgehungert, bis sie nur noch Haut und Knochen waren, sodass selbst drei Erwachsene in ein 80cm breites Bett passten. Derartiges kann sich keiner wirklich vorstellen.
Es gab ein “Krankenlager”, welches keines Wegs einem Krankenhaus ähnelt, sondern eher als ein Gedränge von todkranken und Toten bezeichnet werden muss. Medikamente gab es kaum und auch im Krankenlager war man vor dem Tod nicht sicher. Wer zu lange krank war oder für wen keine schnelle Heilung in Sicht war, wurde von den Aufsehern umgebracht, wenn die Krankheit dies nicht vorher tat.
FRAU UND MANN?
Ab 1943 kamen mehr einzelne Firmen (Walter, Klinkerwerk) ins KZ, um die Häftlinge für sich arbeiten zu lassen. Man brauchte eine „Belohnung“ für die Häftlinge, da die Arbeitsleistung -ein Wunder, dass es bei diesen Bedingungen überhaupt noch Menschen gab, die die Kraft fanden aufzustehen- nicht den Vorstellungen der Betriebe entsprach. Ein Bordell kam her. Die Frauen mussten in eine Sonderbaracke und wurden bis zu sechs Mal pro Nacht vergewaltigt. Es durften nur deutsche Männer in das Bordell. Eine weitere „Belohnung“ bestand in Prämienscheinen für Essen. Man durfte sich mit Glück die Haare wachsen lassen. Diese „Belohnungen“ waren aber nur für 1% der Häftlinge zugänglich und so kam es zu einer weiteren Ebene im Konzentrationslager, da die Frauen gut genährt waren und Neid entstand auf deren Gesundheit. Die Frauen, welche zur Prostitution gezwungen wurden, waren mit leeren Versprechen gelockt worden, welche nie erfüllt wurden.
Es gab auch höhergestellte männliche Häftlinge, die jüngere und neue Jungen vergewaltigten.
Das Hauptlager war für Männer und das Außenlager für Frauen. Wer nun denkt, dass Frauen weniger harte Arbeitskommandos hatten oder in irgendeiner Art und Weise „besser“, wenn hier überhaupt von besser die Rede sein kann, behandelt wurden, der irrt sich. Die Arbeit war für Frauen genau gleich anstrengend, kräftezehrend und verheerend.
WIDERSTAND BIS ZUM ENDE
Es gab Frauen, die Gasmasken produzierten und dabei manche mit Löchern versahen. Es gab Häftlinge, welche Gewähre zusammen setzten und manchmal absichtlich Fehler einbauten; damit der Krieg schneller endet und sie befreit werden. Diese Art von Widerstand ist meiner Meinung nach am bewundernswertesten. Diese Menschen kämpften bis zum Tod, teils so krank und schwach, dass sie selbst fast schon tot waren, und trotzdem fanden sie den Wille, die Kraft und den Mut sich dafür einzusetzten, andere vor solch einer Entwürdigung , die sie selbst tagtäglich erfahren hatten, zu bewahren.
DIE FOLGEN
Doch die Wenigsten wurden durch Verschleppung, traumatische Erlebnisse, Missbrauch, Quälerei, Entmenschlichung und brutalste Gewalt stärker. Viele konnten den natürlichen Konsequenzen dieser Erlebnisse nicht entrinnen und es ist ein Wunder, dass es überhaupt Überlebende gibt, die bis heute berichten, verarbeiten und gedenken.
Das „Treiben durch die Postenkette“ war eine Möglichkeit des Suizids. Man durfte nicht näher als fünf Meter an die Aufseher herantreten-zu jeder Zeit. Es gab Wachmänner, grausam, satanisch und rassistisch, die die Kappen,welche immer getragen werden mussten, von Häftlingen abstießen, sodass sie in den 5meter-Rahmen der anderen Wachmänner fielen. Sie musste aufgehoben werden und der Häftling wurde, wenn er den Rahmen verließ, erschossen.
HEUTE
Das war also die Vergangenheit. Sie betrifft uns, euch, sie und ihn. Alle! Jeder muss seinen Teil beitragen, sich informieren, gedenken, zuhören.
Der Holocaust war unbeschreiblich grausam. Es ist kaum in Worte zu fassen und niemand, der nicht selbst in dieser Lage war, vermag zu urteilen. Wichtiger denn je ist nun das Umschauen und Hinsehen, da der Antisemitismus ein stetiges Problem, ein gegenwärtiges Problem ist, das nicht mit Kriegsende beseitigt wurde. Seht hin, wenn Unrecht geschieht, und werdet aktiv! Denn der Holocaust begann im Alltag, begann mit Worten und Gedanken.