„Jeder Mensch ist ein Künstler.“- 100 Jahre Jospeh Beuys
Wer war dieser Künstler, der immer mit Filzhut zu sehen war, mit seinem Knie dachte und Fett in eine Ecke schmierte? Für die einen ist er ein komischer Kauz, für die anderen ein Visionär. Die einen beschimpfen ihn als Nazi, die anderen feiern ihn als Demokrat. Was will er mit seiner Kunst aussagen und welche Relevanz hat sie heute noch?
Fett und Filz
Fett und Filz sind Beuys‘ unverkennbare Materialien, welche im Mittelpunkt vieler seiner Arbeiten stehen. Beuys selbst verbreitete hierzu seine ganz eigene Hintergrundgeschichte. Als Pilot bei der Luftwaffe sei er über der Krim abgestürzt, wo Tataren seine schweren Wunden mit Fett eingeschmiert und ihn in Filz eingehüllt hätten. Nur durch die selbstlose Hilfe jener Menschen habe er überlebt. Dieser Beuys-Mythos hielt sich bis heute. Tatsächlich kam es zu einem Absturz, dies allerdings nur wenige Kilometer von einem Flugplatz entfernt. Außerdem wurden seine verhältnismäßig leichten Verletzungen in einem Lazarett versorgt.
Wie auch immer die Geschichte tatsächlich stattfand, anschließend ging er bei einem Bildhauer in die Lehre und wurde in den 60er bis 70er Jahren Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf. Hier erlangte er schnell Popularität und schuf seine bedeutendsten Kunstwerke. Darunter befanden sich „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ und „Die Fettecke“, welche, wie der Name verrät, an seine Geschichte anknüpft. Auch die Installation/Performanz „7000 Eichen. Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“ erlangte auf der Dokumenta 1982 viel Aufmerksamkeit.
„Jeder Mensch ist ein Künstler.“
Seine Kunst prägte den „erweiterten Plastik-, Kunst- und Wissenschaftsbegriff“. Ziel ist es hierbei, die Kunst auf die von der Politik eingenommen Bereiche auszuweiten und die Gesellschaft wie ein Plastik zu formen. Doch auch spirituelle Vorstellungen finden sich in seiner Kunst wider. Beispielsweise verstand er das Material Filz als Wärmespeicher und das Fett als Wärmeenergie.
Nichts von seiner Kunst sollte sofort begriffen werden. Vielmehr handelt es sich um Übungen für den Betrachter, der das Kunstwerk mehr als einmal aufsuchen sollte. Entscheidend sei also das Denkvermögen des Menschen. Ganz in diesem Sinne ist auch sein Ausspruch: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ zu verstehen. Als zum Denken befähigter Mensch sei es unsere Aufgabe und Pflicht, die Gesellschaft zu verändern.
War Joseph Beuys Nationalsozialist?
Während Beuys als visionärer Demokrat und Erneuerer verehrt wird, gerät seine Person nun auch immer stärker in die Kritik. Schließlich sei er in seiner Jugend überzeugter Nationalsozialist gewesen und habe sich zudem aus freien Stücken bei der Wehrmacht verpflichtet. Auch nach dem Krieg hat er sich nie von seiner Vergangenheit distanziert, verharmloste sogar den Holocaust und pflegte des Weiteren Kontakte zu Personen und Organisationen rechter Gesinnung.
Außerdem sei er auch kein Demokrat oder Naturschützer gewesen, wie er heutzutage oft dargestellt wird, sondern habe er sich stark gegen die „Parteiendiktatur“ und den „Spinat-Ökologismus“ ausgesprochen. Vielen seiner Kunstwerke liegt eine spirituelle Bedeutung zu Grunde. Heutzutage wird hierin jedoch eine andere Aussage gesehen.
Doch egal wie schwerwiegend und berechtigt man diese Vorwürfe einstuft, seine Kunst bleibt ein Meilenstein der Kunstgeschichte und diese kann, zwar in einem ganz anderen Blickwindel als Beuys ihn womöglich hatte, auch heute noch mit aktuellen Themen in Verbindung gebracht und diskutiert werden. Besonders das Jahr 2021 bietet mit zahlreichen Ausstellungen und Aktionen anlässlich seines 100. Geburtstages die Möglichkeit, sich intensiver mit seiner Kunst und seiner Person auseinanderzusetzen.